Weihnachtsgeschichte: "Der verunglückte Weihnachtsmann"

Eine frische, lustige und wunderschöne Weihnachtsgeschichte wartet hier auf dich, die Geschichte vom "Verunglückten Weihnachtsmann". Aber keine Sorge: Weihnachten fällt deswegen nicht aus! Selbstverständlich gibt es ein weihnachtliches "Happy End".

Der verunglückte Weihnachtsmann

Gisela, eine flotte, gut aussehende Siebzigerin und sportliche Radfahrerin, hatte sich selbst im letzten Jahr zu Weihnachten ein E-Bike geschenkt. Natürlich hatte sie mit dem Kauf nicht bis Heiligabend gewartet, sondern war diesbezüglich schon eine Woche vorher tätig geworden. Sie war begeistert von ihrer neuen Errungenschaft und machte nun täglich eine Radtour, um sich mit dem schnellen und kraftvollen Gefährt vertraut zu machen. Besonders gefiel ihr, dass das Fahrrad jede Steigung mühelos anging und sie ohne die geringste Anstrengung ihrerseits in höhere Gefilde brachte.

Heiligabend war sie bei ihrer Tochter eingeladen, um mit ihr und deren Familie diesen Tag zu verbringen. Sie war seit einigen Jahren Witwe und sollte und wollte am Weihnachtsabend nicht allein sein. Ihre Angehörigen wohnten auf der anderen Weserseite und sie musste sich mit der Fähre übersetzen lassen. Die Straßen waren schnee- und eisfrei und die Witterung äußerst milde. Hin und wieder fielen ein paar Regentropfen, aber Gisela war ja nicht aus Zucker. So beschloss sie, das Auto zu Hause zu lassen und sich auf den Sattel ihres Elektro-Fahrrads zu schwingen. Die Geschenke hatte sie in einer Tasche verstaut und an den Lenker gehängt.

Nach Betreten der Fähre stolzierte sie an den aufgereihten Autos vorbei und begab sich auf ihren Lieblingsplatz rechts in der Nähe des Ausgangs. Weiter vorn bemerkte sie einen Weihnachtsmann in vollem Kostüm, der dem Fahrtwind den Rücken zugedreht hatte und in ihre Richtung schaute. Einige Fahrgäste riefen ihm etwas zu, was er mit einem Lächeln quittierte.

Gisela beschloss, die Fähre unmittelbar nach dem Anlegen zu verlassen, noch bevor das Fährpersonal den Autofahrern das Zeichen zum Starten gab, und sich von ihrem tollen Zweirad die steile Rampe hochbringen zu lassen. Bei der letzten Minikreuzfahrt über die Weser hatte sie die Fähre nach den Autos verlassen und musste sich als Abgasverzehrer betätigen, denn über der Rampe schwebte eine dicke nach Diesel und Benzin stinkende Wolke von Auspuffgasen.

Damit sie gleich ordentlich Fahrt drauf hatte, wählte sie einen hohen Gang und stellte wild entschlossen einen Fuß auf die Pedale, nachdem die Fähre ihr Ziel erreicht hatte. Als sich das Fußgängertor öffnete, startete Gisela. Das Fahrrad schoss vorwärts und riss sie mit. Sie kam nicht mehr zum Aufsteigen, denn das Gefährt war außer Kontrolle geraten. Die rasante Fahrt des Drahtesels endete abrupt, als das Vorderrad gewaltsam in den Schritt des ahnungslosen Weihnachtsmannes eindrang.

„Uff!“, entfuhr es dem Mann im roten Mantel nach dem Volltreffer. Er taumelte, verlor das Gleichgewicht und fiel nach hinten in eine schmutzige Wasserlache, die der letzte Regenschauer hinterlassen hatte. Gisela stolperte über seine im Wege liegenden Füße und schlug mit den Knien auf das nasse, dreckige Eisenblech der Fähre auf. Ihr Oberkörper landete in der Magengegend des Weihnachtsmannes, was ihn abermals ein deutliches „Uff!“ ausstoßen ließ. Das Fahrrad kippte zur Seite und verteilte einige Geschenke auf dem Boden, bevor es die beiden Verunglückten unter sich begrub.

Gisela starrte entsetzt in das schmerzverzerrte Gesicht des unter ihr liegenden fremden Mannes. Sie versuchte sich zu erheben, was jedoch durch das auf ihr liegende Fahrrad unmöglich war. Hilfreiche Hände griffen zu und stellten die beiden am Boden Liegenden wieder auf die Beine, sammelten die Geschenke ein und fragten nach ihrem Befinden. „Ist schon in Ordnung, vielen Dank“, lehnte Gisela weitere Hilfsangebote benommen ab. „Nein danke, ist nicht nötig“, antwortete auch der Weihnachtsmann seinen besorgten Helfern.

Gisela schob das tückische Fahrrad mit schmerzenden Knien durch den Abgasnebel die Rampe hinauf, dabei zahlreiche Entschuldigungen murmelnd: „Tut mir ja so leid . . .“, „ausgerechnet heute“ . . ., „ist mir noch nie passiert“ . . ., hörte der lädierte Weihnachtsmann, der sie auf dem Weg nach oben begleitete. Außer dem durchnässten Mantel hatte er weitere Defizite. Gisela hatte ihm beim Sturz eine aufgeklebte weiße Augenbraue und einen Teil des Wattebartes abgerissen, was ihm ein komisches Aussehen verlieh. Oben angekommen, betrachtete der Mann in Rot ausgiebig die Person, die soeben den heimtückischen Anschlag auf ihn verübt hatte. Was er sah, gefiel ihm. Er fand die wilde Drahtesel-Amazone recht attraktiv.

Auch Gisela nahm den Fremden genauer in Augenschein und musste über sein ramponiertes Aussehen lachen, was zur Entspannung der Situation beitrug. Sie gab ihm ihre Telefonnummer – für den Fall, dass sich bei ihm Folgeschäden einstellen sollten. Dann wünschten sie sich gegenseitig „frohe Weihnachten“ und gingen auseinander.

Giselas Tochter staunte nicht schlecht, als ihre Mutter mit verdreckter heller Hose und wirrer Frisur vor ihr stand. Über ihrem linken Ohr klebte ein weißer Wattestreifen, der aussah wie eine verrutschte Augenbraue.

Im nächsten Jahr fuhr Gisela Heiligabend nicht zu ihrer Tochter, sondern blieb mit ihrem Mann allein zu Hause. Sie hatte ihre und er seine Kinder am 1. Feiertag zum Essen eingeladen – zwecks Familienzusammenführung. Vier Wochen zuvor hatte Gisela ihrem „Weihnachtsmann“ in aller Stille und Heimlichkeit das Jawort gegeben und wollte es heute bekannt geben. Sie liebte von jeher Überraschungen!

Elke Abt

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